Warum Arndt als Namenspatron?
Diesen Text haben wir noch ein wenig überarbeitet und neugestaltet. Die Kommentare zum alten Text bleiben natürlich trotzdem bestehen.
Warum Ernst Moritz Arndt als Patron?
Ernst Moritz Arndt ist eine der vielseitigsten, polarisierendsten und bedeutendsten Persönlichkeiten der Deutschen Geschichte.
Zum einen setzte sich Arndt in seiner Jugend mit frühaufklärerischen Werken Johann Gottlieb Fichtes, J.J. Rousseaus auseinander und war zunächst, wie die meisten Deutschen auch, von den Ideen der französischen Revolution mit der Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ begeistert.
Aufgrund der in Folge der französischen Revolution entstehenden blutrünstigen Jakobinerdiktatur wendete sich Arndt fortan bitter enttäuscht von der Idee der Demokratie ab, da sie ein verheerendes Blutbad anrichtete.
Dennoch wollte er die Grundwerte der französischen Revolution, also die der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht aufgeben und suchte nun nach einer Alternative zur Demokratie, die er schließlich in einer konstitutionellen Monarchie sah. Er ist somit innerhalb der Politiker des 19. Jahrhunderts dem konservativ-liberalen Spektrum zuzuordnen und unterscheidet sich in seinen Forderungen deutlich von reaktionären Monarchisten seiner Zeit.
Für die Freiheit! Gegen Napoleon!
Unter diesem Motto könnte man Arndts Einsatz innerhalb des Kontextes der Befreiungskriege betrachten. Mit seinen Gedichten und Liedern ( u.a. für den Landwehrmann) schaffte es Arndt Massen gegen die Französische Fremdherrschaft zu mobilisieren. Diese konnten schlussendlich den damaligen Aggressor in der Völkerschlacht bei Leipzig mit tatkräftiger Unterstützung der Russen in die Flucht zu schlagen und Deutschland von dieser Fremdherrschaft befreien.
Seine Schriften haben einen entscheidenden Anteil an der Befreiung Deutschlands von der Napoleonischen Unterdrückung!
Gegen die Leibeigenschaft! Für die Freiheit der Bauern!
Doch Arndt steht nicht nur alleine für diesen Begriff von Freiheit. Er steht genau so für die Unterstützung der Abschaffung der Leibeigenschaft. Wenngleich seine Schrift keineswegs besonders originell war, so hat sie dennoch im Rahmen der Bewegung zur Abschaffung der Leibeigenschaft unterstützend gewirkt.
Gerade mit der Einführung des Hüsungs, welches als Ersatz für die 1813 zum zweiten Mal abgeschaffte Leibeigenschaft in Pommern (das erste mal wurde sie 1807 abgeschafft) eingeführt wurde, gewinnt seine Schrift „Geschichte einer Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ eine ganz neue und weitaus größere Bedeutung. Die Hüsung Regelung blieb bis weit in die 1860er Jahre in Kraft. Fritz Reuter beschreibt in seinem Buch „Kein Hüsung“ sehr plastisch die Not der unter dieser Leibeigenschaft unter anderen Namen leidenden Bauern.
Für die Freie Rede und das Freie Wort!
Des weiteren steht Arndt für die freie Rede und das freie Wort. Die Forderung nach Meinungs- und Pressefreiheit ist eine derjenigen, die er von den Werten der französischen Revolution übernommen hatte und für die er sich sein ganzes Leben lang einsetzte. So zum Beispiel vor dem Wiener Kongress und während der Revolution von 1848 im Rahmen der Erschaffung einer konstitutionellen Monarchie.
Für die Moral in der Armee! Gegen Krieg!
Für eine Verteidigungsarmee!
Als eine der bedeutendsten aufklärerischen Schriften ist Arndts Schrift „Katechismus für den teutschen Landwehrmann“ hervor zu heben. In dieser wendet sich Arndt gegen das sinnlose abknallen von Frauen, Invaliden und Kindern, also gegen jegliches Töten von Zivilisten, was zu dieser Zeit innerhalb des Militärwesens noch weitgehend unbeachtet blieb.
Des weiteren ruft der Publizist in dieser und anderen Schriften dazu auf, dass Soldaten das Recht haben sollten, Befehle zu verweigern, sofern sie nicht mit ihrem menschlichen Gewissen vereinbar sind.
Außerdem wendet er sich mehrfach gegen eine ständische Absonderung des Soldatentums. Er begründet damit die Idee des Soldaten als Bürger in Uniform.
Genau so wie Stein und Hardenberg setzt er sich für die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ein.
Aus der Schrift „Beherzigungen vor dem Wiener Kongress“ geht eindeutig hervor, dass sich Arndt gegen das Prinzip einer imperialen Angriffsarmee wendet und für eine antiimperiale Verteidigungsarmee streitet.
Er ist in diesem Kontext ohne Zweifel als Teil der antiimperialen Bewegung zu betrachten, die sich im Laufe der Geschichte zur Antiimperialistischen Bewegung weiter entwickelte.
Seine Ideen sorgten dafür, dass das Militär, insbesondere der Soldat erstmals mit moralischen Werten in Verbindung gebracht wurde, als Mensch und nicht bloß als Kampfmaschine angesehen wurde, wie es noch heute innerhalb der US-Armee leider häufig der Fall ist.
Seine Schriften „Katechismus für den teutschen Landwehrmann“ und „Kurzer Katechismus für den teutschen Soldaten“ sind auch heute noch von besonderer Bedeutung, wenden sie sich doch gegen „Halliburtons“ Söldnerheere im Irak, die dort noch heute für grausame Verbrechen verantwortlich ist, wendet sie sich doch gegen Totenschändung, wie sie leider auch von „teutschen Landwehrmännern“ in Afghanistan begangen wurde, wendet sie sich doch gegen das Bombardieren von Hochzeiten, wie es im Jugoslawienkrieg geschehen ist.
Viele seiner Forderungen, die er im „Katechismus für den teutschen Landwehrmann“ formuliert hat, finden sich heute in den Genfer Konventionen wieder.
Auch wenn Arndt selbst kein Revolutionär war, so findet sich in seiner Schrift „Beherzigungen vor dem Wiener Kongress“ eine Forderung wieder, die bis zum heutigen Tage nicht umgesetzt wurde und nicht umgesetzt werden konnte, weil die Welt dafür noch nicht friedlich genug ist. Es handelt sich hierbei um die Forderung nach der Abschaffung der Geheimpolizei.
In einem freien Land mit freien Bürgern sei eine Geheimpolizei nicht nur „ungerecht sondern auch unnötig.“
Kämpfer gegen Menschenhandel
In der Schrift „Beherzigungen vor dem Wiener Kongress“, die 1814 veröffentlicht wurde, wendet sich Arndt öffentlich gegen den „Soldatensklavenhandel“.
Des weiteren schreibt er in dem Absatz unter dem Titel „Die Fremde Werbetrommel“:
„Darum muss er (Anm. der Soldatensklavenhandel) im Reiche abgeschafft werden, und ein ausdrückliches Gesetz muss für Deutschlands Kinder sorgen und verbieten, dass Fürsten und ihre Günstlinge hinfort nicht Menschen um Gold verkaufen dürfen.“
Angesichts der Tatsache, dass Menschenhandel nicht nur außerhalb Europas, sondern leider auch innerhalb der EU noch mit Frauen und Kindern illegal gehandelt wird und die staatlichen Organe stets bemüht sind, diese unwürdige Manier einzudämmen, kommen solchen Aussagen noch heute besonders hohen Stellenwert hinzu.
Ehrung für sein Kulturschaffen!
Ernst Moritz Arndt gilt auch besondere Ehrung für sein Kulturschaffen. So sammelte er heimische Märchen und Sagen. Er schrieb, typisch für die Epoche der Romantik, zahlreiche Reiseberichte von seinen Bildungsreisen, die er als junger Student unternahm.
Des weiteren gilt er als Dichter der Romantik. Insbesondere ist er als Dichter der Befreiungskriege neben Theodor Körner, Heinrich von Kleist, Max von Schenkenberg hervor zu heben.
Des weiteren setzte sich Arndt auch mit der Problematik der Erziehung auseinander. So verfasste er eine Schrift mit dem Titel „Erziehung und Unterweisung eines Fürsten“, in der es darum geht, aus dem Fürsten einen „ersten Diener des Staates“, also einen Volksvertreter zu machen. Arndt steht damit in der konservativen Tradition des aufgeklärten Absolutismus, wie sie vom preußischen König, Friedrich II., aber auch von dem preußischen Rivalen, dem Habsburgischen Königshaus begründet worden war.
Des weiteren steht der Schriftsteller, Historiker, Theologe, Politiker und Publizist erster im 19. Jahrhundert im Kontext der Aufklärung aufkommenden reformpädagogischen Bestrebungen gegenüber. So stellt er sich gegen das Erziehen als „ziehen“, wie es auch in der antiken Philosophie noch angesehen wurde und stellt dem die Erziehung als
„…lenken von unsichtbarer Hand.“
Gegenüber.
Auszug aus der Originalhandschrift Ernst Moritz Arndts aus seiner philosophischen Schrift „Fragmente für Menschenbildung“
Arndt als Politiker
Arndt war einer der ersten Politiker eines demokratisch legitimierten Parlaments. So saß er im Jahre 1848/49 für die Liberale Partei von Gagerns in der Paulskirchenversammlung und vertrat in diesem Zusammenhang den konservativen Flügel des politischen Liberalismus.
Aufgrund der Folgen, die die französische Revolution von 1789 mit der blutigen Jakobinerdiktatur nach sich zog, war es für Arndt unvereinbar, sich für eine Republik auszusprechen.
Allerdings hat er mit den Ideen der Aufklärung sympathisiert und sie in sein politisches Verständnis eingeflochten, weshalb er sich für den Mittelweg, die Forcierung einer konstitutionellen Monarchie entschied.
In seinen politischen Schriften formuliert er Ideen, wie eine solche konstitutionelle Monarchie auszusehen hat und erschafft damit, ohne dass er sich dessen jemals bewusst gewesen sein wird, unbewusst zugleich die Grundlage des bundesdeutschen Parlamentswesens.
So fordert er die Erschaffung eines „Unterhauses“, in dem Vertreter des Volkes sitzen wollen. Dem steht nun ein „Oberhaus“ gegenüber, in dem die Fürsten der einzelnen Länder vertreten sein sollen. Diese Unterscheidung von „Unterhaus“ und „Oberhaus“ findet sich heute in der Bundesrepublik Deutschland im „Bundestag“ (gewählte Vertreter des Volkes) und „Bundesrat“ (Vertreter der Länder) wieder.
Über die Art und Weise, wie die Vertreter des Volkes gewählt werden sollen, hat sich Arndt unterdessen nicht geäußert und somit den Weg für ein Klassenwahlrecht, aber auch die Alternative eines gleichen Wahlrechtes offen gelassen.
Er ist somit als Politiker des frühen bürgerlich-politischen Liberalismus zu betrachten und auch so innerhalb der Paulskirche einzuordnen.
All das spricht für eine Beibehaltung Ernst Moritz Arndts als Namenspatron.
Dennoch muss sich Arndt zurecht immer wieder dem Antisemitismusvorwurf und dem Rassismusvorwurf ausgesetzt wissen. Und das sollte auch in Zukunft trotz der Beibehaltung Ernst Moritz Arndts als Patron der Universität Greifswald auch sein.
Ernst Moritz Arndt ist eine derart schillernde und polarisierende Persönlichkeit seiner Zeit, dass er uns nicht nur Anlass zur Ehrung sein soll. Er muss, aufgrund seines Wirkens auch Anlass zur Mahnung sein. Mahnung vor den Folgen, die seine Schriften „Über den Volkshass und Gebrauch einer fremden Sprache“, „Geist der Zeit“ und „Blick aus der Zeit auf die Zeit“ angerichtet haben. Denn Rassismus und Antisemitismus sollten unserer Meinung nach in Zukunft nicht mehr gesellschaftsfähig sein!
Der Patron Ernst Moritz Arndt wird uns in Zukunft daher nicht nur als Person dienen, mit der wir Studenten uns in vielen Punkten identifizieren können.
Er ist genau so eine Person, von der wir uns distanzieren sollten. Er ist eine Herausforderung für die Zukunft und bedarf einer ständigen Auseinandersetzung mit unserer Zeit und unserer Vergangenheit, mit unserem gegenwärtigen Denken und dem Denken der Menschen in unserer Vergangenheit.
Stellen wir uns also der Vergangenheit und Gegenwart! Vermeiden wir eine Damnatio Memori, vermeiden wir eine Ausradierung von Persönlichkeiten, die zwar einen verhängnissvollen Fehler begingen, andererseits für unser Denken und Leben dennoch genügend positives geleistet haben, dass sie eine Erinnerung, auch als Namensgeber einer Uni verdienen!
Aus diesen Gründen sollte der Name erhalten bleiben und nicht abgelegt werden!
Das Ernst Moritz Arndt Gymnasium in Bergen über ihren Namenspatron
„Ernst- Moritz-Arndt-Gymnasium zu heißen bedeutet für uns nicht, alle Auffassungen des Namensgebers zu akzeptieren. Es gibt an unserem Gymnasium sehr wohl eine aktive Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus. Dieses ist in der Schriftenreihe (unter Publikation mehr dazu) und unter Unterricht, Fächer und Geschichtsprojekte genauer nachlesbar. Jedes Jahr fahren die Schüler der 10. Klassen unseres Gymnasiums in die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, in der an das ehemalige Frauen- KZ erinnert wird. Auch an der Anbringung eines Stolpersteins waren Schüler unseres Gymnasiums beteiligt.“
Über den Antisemitismus und Rassismus schreibt die Bildungseinrichtung folgendes:
„Von den antijüdischen Äußerungen Arndts distanzieren wir uns und sehen unsere Tradition im progressiven Teil seines Lebenswerks. Eine Umbennung unserer Schule oder anderer Einrichtungen würde nichts ungeschehen machen.
Wir meinen : Arndt wollte die Zersplitterung Deutschlands beseitigen und dabei ist er, wie viele andere auch, in der Abgrenzung nach außen weit über das Ziel hinaus geschossen.
Richtig ist: Der Weg nach Auschwitz beginnt allerdings tatsächlich in Arndts Zeit, aber es war eben nicht Arndt, sondern Hartwig Hundt-Rakowsky, der das wollte und der als mutmaßlich erster Deutscher von Ausrottung sprach.“
Diese Aussagen entsprechen unserer Argumentation für eine Beibehaltung des Namens „Ernst Moritz Arndt“ für die Universität Greifswald, weshalb wie sie an dieser Stelle veröffentlichen.
Weitere Informationen zur Stellungnahme des Ernst-Moritz-Arndt Gymnasiums Bergen/Rügen gibt es an dieser Stelle:
http://www.emagym-bergen.de/index.php?site=Kritische-Anmerkungen&navi=naviarndt&top=t8
Gute und überzeugende Argumentation!
Endlich etwas brauchbares! Weiter so!
Ja, eine sachliche Argumentation, für wahr. Allerdings nur bei den postiven Leistungen Ernst Moritz Arndts und auf einem, einem Grundschüler typischen Niveau.
Eine wirkliche Darstellung mit den „negativen Leistungen“ Arndt findet nicht statt.
Es wird sogar fachlich falsch davon ausgegangen, dass Arndts anti-französische und im Übrigen auch anti-polnische, anti-britische und anti-irische Haltung, den Umständen seiner Zeit geschuldet seien.
Richtig ist vielmehr, dass Arndt seine Äußerungen fast ausschließlich auf das gesamte Volk bezogen hat. Er hatte weitgehende Ansätze einer Rassenideologie.
So scheibt er in seinem, von mir schon unter dem Thema „Warum überhaupt ein Namenspatron ?“ geposteten Gedichtauszug: „So klinge die Losung: »Zum Rhein! übern Rhein!
Alldeutschland in Frankreich hinein!«“
Es ist Fakt, dass Arndt sich mit seinen Äußerungen gegen die Franzosen nicht gegen die französische Fremsherrschaft wehrte sondern ein ganzes Volk (i.E. viele, oben genannte Völker) als generell minderwertig betitelte.
„Die“ Polen empfand er gar als Fehler der christlichen Schöpfung. Im Angesicht des, nicht durch Arndt verursachten, Völkermordes an der polnischen Zivilbevölkerung, erscheint dies jedoch sehr bedenklich in Bezug auf die stattfindende Diskussion.
Des weiteren finde ich die Formulierung, die „Leistung“ Arndts in Bezug auf Antisemitismus sei nicht wieder hervorzuheben, mit deutlichen Worten, widerlich und pervers. Die jetzige Diskussion hebt diese Äußerungen Arndts, die sein ganzes Leben durchzogen und u.a. mit Briefwechseln zu Personen wie Marcard, der ein Progrom an der jüdischen Bevölkerung veranstaltete, belegt sind, wieder hervor. Dies ist uneingeschränkt zu befürworten, da wenn man diese Informationen zurückhält, es nie zu einer, ja eigentlich von allen Seiten gewünschten Aufarbeitung der gesamten Geschichte und ihrer Auswirkungen bis in die heutige Zeit kommen kann.
Eine weitere Anmerkung betrifft die Leistung Arndts bzgl. der Aufhebung der Leibeigenschaft. Es ist zutreffend, dass Arndt 1803 ein Buch veröffentlichte in dem er sich gegen die Leibeigenschaft aussprach.
ALLERDINGS wurde die Leibeigenschaft bereits vor Veröffentlichung des Buches in Schwedisch-Pommern aufgehoben. In Schweden war dies bereits seit längerer Zeit der Fall.
Dementsprechend ist Darstellung als nicht korrekt bzw. verzerrt anzusehen.
Arndt mag einen gewissen Einfluss auf die politische Entwicklung in dieser Hinsicht gehabt haben, „rannte“ aber bspw. beim schwedischen König „offene Türen ein“.
In diesem Beitrag wird das Wirken Arndts sehr einseitig dargestellt und entbehrt an vielen Stellen der Wissenschaftlichkeit oder gar der faktischen Richtigkeit.
Ich möchte weiterhin betonen, dass ich mich selbst nicht als „einer Seite zugehörig“ sehe, aber die Argumentation der „UNI-ohne-Arndt Initiative“ schlüssiger und besser belegt finde, auch wenn es auch dort Verfahrensweisen gibt, die ich als fragwürdig erachte. Ich hätte es sehr begrüßt, wenn hier eine wissenschaftliche Argumentation oder zumindest faktische Belege zur Änderung Arndts im hohen Alter zu finden gewesen wären.
Eine sachliche Auseinandersetzung mit der Person Ernst Moritz Arndt und den Umständen der Benennung nach ihm ist nicht ersichtlich.
Im Gegenteil, es wird mit Ausnahme von geringen Ansätzen in dieser Rubrik, überhaupt nicht auf die Abwägungsproblematik eingegangen, sondern am Thema vorbei geschrieben.
Als Beispiele: „Warum überhaupt einen Namenspatron ?“ oder der Menüpunkt „Demokratie“, zu dem man auch anführen könnte, dass Arndt auch Aussprüche veröffentlichte in denen er Juden und Demokraten, „wie wilde Hunde abknallen“ lassen wollte.
Mit freundlichem Gruß und der Bitte auf Berücksichtigung der Kritik
Benjamin Lanz
Eine kleine Richtigstellung in deinem Kommentar muss an dieser Stelle doch erfolgen:
Die Aufhebung der Leibeigenschaft wurde erst 1806 auf dem Greifswalder Landtag im Zuge der Einführung der Schwedischen Verfassung in Schwedisch-Pommern beschlossen. Aufgrund der französischen Besetzung kamen die von Schweden geplanten Reformen allerdings erst mit starker Verzögerung oder gar nicht zum Zuge (was allerdings auf die Abschaffung der Leibeigenschaft nicht zutrifft – sie wurde abgeschafft).
D.h. Arndts Schrift zur Abschaffung der Leibeigenschaft erschien drei Jahre vor dem dementsprechenden Beschluss.
Mag zwar sein, dass bereits vor der offiziellen Abschaffung einige Großbauern ihre Leibeigenen in die Freiheit entließen, rechtlich war sie aber bis 1806 noch nicht verboten.
„- Das Sammeln einheimischer, regionaler Märchen…
<< uii!
„- schwedische Märschen…
<< doppelt uiii! Jetzt mal ernsthaft:
“Die Wahl eines Namenspatrons ist keine wissenschaftliche, sondern eine Wertentscheidung. Sie drückt aus, welche durch den Namensgeber verkörperte Werte von der Universität jetzt und in Zukunft gepflegt werden sollen. Und da kann es unmöglich außer Betracht bleiben, dass die Namensgebung im Jahre 1933 so erfolgt ist, wie sie erfolgt ist: sicherlich nicht, weil Arndt ein Vorkämpfer der Pressefreiheit war, sondern eben, weil er für den Franzosenhass und für den rassisch getönten Nationalismus eintrat.”
(Quelle: Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann, in: “Ernst Moritz Arndt weiterhin im Widerstreit der Meinungen : Neue Materialien zu einer alten Diskussion” S. 108)
<< Mit anderen Worten: Eure Auflistung ist zwar recht amüsant an vielen Stellen, aber völlig irrelevant, wenn es um die Namensablegung geht. Denn da zählen die Argumente, die damals zentral waren. Hier der damalig Rektor:
Rektor, Prof. Dr. Heinrich Laag, am 28. Juni 1933 in seiner Festrede anlässlich der Verleihung des Namens “Ernst Moritz Arndt”:
„Nur wenn wir so denken wie Ernst Moritz Arndt, werden wir auch im Sinne des Führers unseres Volkes [Adolf Hitler] handeln. Das, was Ernst Moritz Arndt gewollt hat, geht zum guten Teil in unseren Tagen in Erfüllung. Aus seinem Geist heraus lebt nicht zum wenigsten die Gegenwart.“
(Quelle: Greifswalder Universitätsreden, Heft 37, Greifswald 1933, S. 10 f.)
„- Er ist einer der bedeutendsten Schriftsteller…
<< Wer sagt das? Nach welcher Kategorie? Bedeutender als wer? Ich habe da anderes gelesen, finde es aber grad nicht. Trotzdem: Eure Behauptung finde ich sehr mutig. Wie unterfüttert ihr sie?
„- Er war einer der bedeutendsten Staatsmänner seiner Zeit…
<< Wikipedia sagt: "Der Begriff Staatsmann bezeichnet einen Politiker in hohen staatlichen Ämtern, in der Regel Staats- oder Regierungschefs, die nach Auffassung der öffentlichen Meinung etwas geleistet haben, das über alltägliche Politik hinaus geht. " Wann war denn Arndt bitte wo Regierungschef?
Und bei dem Freiherr von Stein war er _ Sekretär _ ! Dadurch wird man nicht automatisch "Staatsmann"…
„- Er machte sich für die Befreiung der Bauern von ihrer Leibeigenschaft nicht nur in Pommern, sondern auch in ganz Deutschland stark
<< Alter Hut. Fakt ist: a) Leibeigenschaft wurde zu dieser Zeit in ganz Europa abgeschaft, weil freie Bauern sich viel mehr engagieren (kapitalistische Selbstausbeutung etc. *g). Aber vor allem b) Der Schwedische König hatte in seinem Land nie Leibeigenschaft und wollte sie eh in Pommern abschaffen. Arndt kam da ganz Recht. Der Schwedische König konnte gegen die Junker mit Verweis auf Arndts Schrift vorgehen.
<< Trotzdem bleibt die Schrift gut. Aber sie war weder revolutionär, noch mutig, noch besonders originell…
„- Er setzte sich für den Schutz der heimischen Wälder und Forste ein und gilt in diesem Zusammenhang als Vordenker der Naturschutzbewegung
<< Haha! Welche Naturschutzbewegung beruft sich denn auf Arndt? Die möchte ich sehen! "Vordenker des Naturschutz" – klasse !! ^^
„- Er ist vor allem durch seine Kirchenlieder bekannt geworden und wurde unter anderem deshalb in der Frankfurter Paulskirche 1848/ 49 mit stehenden Ovationen geehrt
<< Ja das stimmt. Interessant aber ist doch, dass von Arndts Kirchenliedern nur die unpolitischen überlebt haben? Arndts Hauptwerk sind seine politischen Schriften ! Da wendet ihr Euch immer noch drum.
„- Er war Mitglied der Paulskirchenversammlung und in dieser zeitweise Abgeordneter der liberalen Partei von Gagerns
<< Und stand als Erzkonserativer für den Erhalt der Monarchie!
Zitat: 1848/49 polemisiert er „gegen demokratisches Ungeziefer“, gegen „kosmopolitische Schelme von Juden und Franzosen“ und fordert, aufständische Demokraten wie „wilde gesetzlose Wölfe“ abzuknallen.
Würzburger Historiker "Peter Fasel" – nachzulesen auf der Uni-ohne-Arnd.de Seite in den News
„- Antijudaismus und Antisemitismus. Diese Leistung sollte unserer Meinung nach nie wieder positiv hervor gehoben werden, wie es zwischen 1933 und 1945 geschah.
<< Auch zu Lebzeiten Arndts gab es mache die das toll fanden. Es war nicht zufällig, dass in Pommern noch zu Lebzeiten Arndts die ersten jüdischen Synagogen in Deutschland brannten. Namen stehen für Programme!
„- (Völkischer) Nationalismus. Siehe Bewertung des Antijudaismus und Antisemitismus
<< Immerhin erwähnt ihr es… 🙂
„- Franzosenhass. Wenn man berücksichtigt, dass Arndt die französische Fremdherrschaft erlebte, kann man diesen Vorwurf im Kontext seiner Zeit entschuldigen.
<< Arndt hat noch vor der Besetzung Pommerns gegen "die Franzosen" gehetzt. Vor allem aber: Arndt hat auch danach weiter gegen die Franzosen gehetzt. Er wollte den "brennenden Hass" und "ewigen Hass" gegen "die Franzosen und ihr Wesen", damit die zwei Völker auf ewig getrennt werden… etc.
<< Außerdem spannend:
"Diesen Haß begründete er nicht etwa aus dem politischen Geschehen heraus, sondern aus dem vermeintlich _minderwertigem Volkscharakter_ der Franzosen. Arndt hatte es sich als Publizist währenden den Befreiungskriegen zum Ziel gemacht die Erfahrung der unmittelbaren Unterdrückung durch die napoleonischen Truppen in das Gefühl einer kollektiven Bedrohung zu übertragen. Diese Bedrohung war für ihn nicht nur Napoleon, sondern auch das französische Volk." (Studentin aus Leipzig aus ihrer Seminarabeit. Genaue Quelle auf der Uni-ohne-Arndt Seite).
Und:
“Übertroffen wurden selbst Görres und Jahn durch die geradezu pathologische Besessenheit, mit der Arndt ‘alle Deutschen’ Jahr für Jahr in immer neuen Schriften, Gedichten und Pamphleten dazu aufrief, ‘das Franzosenungeziefer’, schlechthin ‘jeden Franzosen… als Scheusal zu vertilgen’.
Arndt war in jenen Jahren ein weit wirkender Schriftsteller, dessen Frankophobie zahlreiche Menschen erreichte, als er ein gemeindeutsches Bewußtsein mitschaffen half. Seine Spielart des Nationalismus stellte nicht […] primär einen geistigen Auftrag oder […] ein politisches Programm dar, sondern sie beruhte in erster Linie auf überströmendem Gefühl, quasireligiöser Hingabe an eine Gemeinschaft der Gleichgläubigen, Eintauchen des Individuums in den Elan, die Ekstase, auch die Sicherheit gewährende Flug einer Massenbewegung.”
(Quelle: Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 1. Bd., München 1987.)
FAZIT:
Arndt Franzosenhass ist nicht einfach durch die angebliche „Besetzung“ zu entschuldigen (Viele Deutschen jubelten Napoleon – und allgemein den damit verbundenen Bürgerrechten der Französischen Revolution – als Befreier zu !!)
“ …dass er für die Region Pommern eine Leuchtturmfunktion übernimmt“
<< Er ist und bliebe ein Leuchtfeuer für die unterdrückte Akzeptanz von Ressentiments in einigen Teilen der Bevölkerung, für Fremdenfeindlichkeit gegen Polen und Türken (damals halt Juden und Franzosen) und für Deutschtümelei… Tolles Leuchtfeuer.
P.S.:
„“- Seine politischen Schriften sind nicht nur durch Antisemitismus und Nationalismus gekennzeichnet.“
<< bitte was??? Sein Nationalismus zieht sich durch sein ganzes Lebenswerk! Sowohl in Büchern, noch mehr aber in hunderten (!!!) Flugblättern drückt sich sein Nationalismus aus! Zitat:
“Daß Jahns Sakralisierung des Deutschtums und seine Dämonisierung alles Französischen sich noch übertreffen ließ: diesen Nachweis liefert das schriftstellerische Werk von Ernst Moritz Arndt […]. Anfang 1807 brauchte er den pseudoreligiösen Charakter seines deutschen Nationnalismus in geradezu klassischer Form zum Ausdruck”
(Quelle: Professor Dr. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen, Deutsche Geschichte 1806 – 1933, Band 1, Bonn 2002, S. 65.)
„- Die Forderung nach Meinungs- und Pressefreiheit, nach stärkerer Partizipation des Volkes an der Regierung sind positiv hervor zu heben.
<< wo habt ihr das denn nun wieder her?
Das Gegenteil ist korrekt. Um nur ein Beispiel von vielen möglichen anzuführen: Arndt äußerte häufig den Wunsch, alle deutschen Schriftsteller sollten getötet werden, nur weil diese seine Gesinnung nicht teilten, und zwar durch Ersäufen im Meer:
Bemerkenswert ist auch die Art und Weise, in der Arndt Unterschiede unter den Schriftstellern macht, als „differenziert“ im Sinne seiner Anhänger und Befürworter. Er teilt die deutschen Schriftsteller seiner Zeit nämlich in drei Gruppen ein:
1. „schnatternde Gänse“,
2. „Verbrecher ohne Tugend“ und
3. solche, die vermeintlich zwar dieselbe Gesinnung haben sollen wie er, Arndt, diese aber verleugnen, also so genannte Gesinnungsverleugner, (zwischen 1933 und 1945 in Deutschland auch „Gesinnungslumpen“ genannt) deren Bücher zu verbrennen waren.
Arndt hätte sie gern ersäuft, wenn er gekonnt hätte, und zwar alle drei Kategorien. Von solchen Äußerungen quillt Arndts Werk geradezu über. Kann man das als Eintreten für die Freiheit des Wortes interpretieren? Oder ist damit gemeint, dass sich jeder frei entscheiden kann, ob er Goethe nun als „schnatternde Gans“, einen „Verbrecher ohne Tugend“ oder eher als einen „Gesinnungsverleugner“ ansehen möchte?
(Quelle: Prof. Buchholz Antwort auf das OZ-Interview von Dr. Garbe)
„- die Forderung nach der Abschaffung der Geheimpolizei
<< Wahrscheinlich gehört das noch zu den Frühforderungen, als in die Zeit in der Arndt tatsächlich noch so eine Art rechtsaußen "Liberaler" war. Es ist ja gerade das Problem von Arndt, dass er sehr schnell dann in den erzkonservativen Nationalisten sich verwandelt. Deshalb wird man in seinem frühen Wer vielleicht noch ein paar andere Forderungen des Frühmärz finden.
Entscheidend aber ist doch die Frage:
Was steht im Mittelpunkt von Arndts Werk? Das ist die Forderung nach einem vereinten Deutschland! Das ist ja auch ok. Aber seine völkische (rassistische) Begründung ist heute halt leider untragbar…
@ Sebastian
„- Die Forderung nach Meinungs- und Pressefreiheit, nach stärkerer Partizipation des Volkes an der Regierung sind positiv hervor zu heben.
<< wo habt ihr das denn nun wieder her?
In "Beherzigungen vor dem Wiener Kongress" schreibt Ernst Moritz Arndt im Jahre 1814:
"Die öffentliche Meinung allein, die mit edlem Stolz und freier Sicherheit auf den Willen eines großen und wackeren Volks gestützt ist, wenn sie auf diese Weise das Vaterländische und Deutsche wieder erweckt und belebt, kann allein (Anmerkung: ja – jetzt kommt wieder eine Ladung Franzosenhass…) das Fremde und Welsche, das uns verpestet und zerstört, aus uns vertilgen und den Verrätern unserer Ehre ein Schrecken und allen großen und kleinen Buben und Verbrechern ein Zaun und Gebiß werden."
Und jetzt folgt der ganz entscheidende Satz:
"Darum müssen wir freie und gesetzliche Deutsche, welchen Aufruhre und Getümmel nie gefallen haben, AUF DIE PREßFREIHEIT BESTEHEN. (Hervorhebung an der Stelle von der Arndt AG, Ernst Moritz Arndt: Beherzigungen vor dem Wiener Kongress, 1814, S. 158f.)
Es folgt nun in dieser Schrift ein ganzer Abschnitt mit dem Titel "Die Pressefreiheit", in der die Notwendigkeit der Pressefreiheit innerhalb des neuen Deutschen Staates (auf den Arndt vor dem Wiener Kongress hofft) hervor gehoben wird.
In diesem schreibt er:
"Es muss die uneingeschränkte Pressfreiheit sein. Denn wo der Mensch nicht denken und seine Gedanken nicht aussprechen darf, da kann keine Freiheit und Gerechtigkeit sein.(…)
Die Pressfreiheit ist der Schirm des Schwachen und Unterdrückten. (…)
Die Pressfreiheit warnt den Staat vor Dummheit und Übermut, sie setzt Staatsminister und Feldhauptleute ein und ab und hat ganze Völker oft aus den größten Gefahren gerettet.
Die Pressfreiheit ist das rechte Obergericht und der erste geheime Rat einer Regierung."
Er beendet seine Ausführungen mit:
"Wenn wir also Freiheit und Gerechtigkeit wollen und dass unser Volk durch stolze und edle Ideen zu Ruhm und Macht erstarken soll, so müssen wir die Preßfreiheit wollen.
Bei der Entwerfung und Begründung der künftigen Verfassung Deutschlands muss die allgemeine Preßfreiheit durch ein Reichsgesetz geheiligt und geboten werden."
Und noch ein paar Entscheidende Ideen Arndts, die für die Reichseinigung und dadurch begünstigende Industrialisierung von Bedeutung sein werden:
"Es ist daher von der größten Notwendigkeit, dass bei der neuen Ordnung des Reichs auch der Posten und Landstraßen und Zölle und Geleite übertriebene Plackereien und Hudeleien abgeschafft werden."
Unter dem Kapitel "Die Polizei" sagt er folgendes:
"Vormals (gemeint ist vor der französischen Besetzung) glaubte man, der Mensch sei gut, bis er sich als Schelm oder Bösewicht hingestellt hatte; jetzt soll man jeden ohne weiteres wie einen Spitzbuben ansehen und ihn als solchen beobachten und vor ihm sich hüten. Diese schändlichen Lehren haben auch die spitzbübischen Franzosen zu den redlichen Deutschen gebracht."
Arndt wollte diese von Napoleon eingeführte Praxis wieder abgeschafft wissen.
Und zur Geheimpolizei schreibt er:
"Bei einem Volke, welches Freiheit und Ehre liebt, ist die geheime Polizei beides: unnötig und unerlaubt."
Unter dem Kapitel "Die Minister" äußert sich Arndt erneut zur Presse- und Meinungsfreiheit:
"Welches Mittel gibt es gegen diese Pest von undeutschen und französischgesinnten Höflingen und Ministern? Ein Mittel ist schon genannt. Es heißt die öffentliche Meinung, die Preßfreiheit."
So viel also zu deiner Infragestellung der Meinungs- und Pressefreiheit.
Ohne euch lange auf die Nerven gehen zu wollen: Mit dieser Begründung (Märchen, Naturschutz, Bauernbefreiung, Choräle) habt ihr gegen Jabbusch nicht den Hauch einer Chance. Kein Mensch akzeptiert einen Uni-Patron, bloß weil der ein paar mittelklassige Liedtexte geschrieben und sich um den deutschen Wald gesorgt hat. Die Ehre eines Patronats erfordert historische Strahlkraft, eine überzeitliche Leistung, die auf Stadt und Land bleibenden Einfluß ausübt. Diese Leistung gibt es bei Arndt, aber sie steckt nicht in seinen Märchen (jedenfalls nicht primär).
Das zweite Problem ist, daß ihr auf die Herausforderung der Gegenseite schlicht und einfach mit den falschen Waffen antwortet. Ihr möchtet eine wissenschaftliche Diskussion führen, aber in den verbleibenden Wochen bis zur Abstimmung geht es überhaupt nicht um Wissenschaft. Es geht um Wahlkampf! Eine weitgehend desinteressierte Masse wird im Schnellverfahren mit thematischen Eckpunkten konfrontiert und nur ein Bruchteil der Leute liest tatsächlich wissenschaftliche Supplements oder ellenlange Kommentarspalten. Jabbusch weiß das. Er führt einen klassischen Wahlkampf und setzt auf effiziente Propaganda. Tut ihr das auch?
Ich wünsche eurem Projekt alles Gute, aber ich glaube nicht, daß das so funktioniert 🙂
Die Argumente der „pro-emau Initiative“ werden (zu Recht) als schwach dargestellt, aber auf der anderen Seite bekommt man den Eindruck der Kommentator hätte große Symphatien bzgl. des Versuchs die Umbenennung abzuwenden.
Dann stellt sich mir jedoch die Frage nach dem Warum. Vielleicht hat er ja besondere, bessere Argumente für eine Beibehaltung Arndts als Namenspatron. Oder, ohne dies jemandem unterstellen zu wollen, er folgt meiner überspitzt dargestellten Frage „ob man Antisemitismus und Volksverhetzung im Verhältnis zu Märchen und Naturschutz als weniger wichtig oder schlimm ansieht“ mit ja.
Beides würde mich sehr interessieren.
Außerdem ist zu bemerken, dass auch wenn ich keine großen Symphatien für einige Mitglieder der Initiative „UNI-ohne-Arndt“ hege, deren von mehreren Hochschulprofessoren unterstützte Argumentation deutlich stichhaltiger und überzeugender erscheint. Somit kann ich auch keinen wirklichen Wahlkampf entdecken.
Eine Anmerkung zum neuen Text, da insbesondere folgende Textstelle falsch verstanden werden kann:
„Seine Schriften „Katechismus für den teutschen Landwehrmann“ und „Kurzer Katechismus für den teutschen Soldaten“ sind auch heute noch von besonderer Bedeutung, wenden sie sich doch gegen „Halliburtons“ Söldnerheere im Irak, die dort noch heute für grausame Verbrechen verantwortlich ist, wendet sie sich doch gegen Totenschändung, wie sie leider auch von „teutschen Landwehrmännern“ in Afghanistan begangen wurde, wendet sie sich doch gegen das Bombardieren von Hochzeiten, wie es im Jugoslawienkrieg geschehen ist.“
Es könnte der Eindruck entstehen, dass sich die Schrift „Katechismus für den teutschen Landwehrmann“ gegen Söldnerheere im Irak und gegen diverse Kriegsverbrechen in Afghanistan und Kosovo wende.
Dies ist selbstverständlich nicht so gemeint und wäre auch unlogisch.
Richtig ist aber, dass sich der „Katechismus für den teutschen Landwehrmann“ gegen Kriegsverbrechen im Allgemeinen und gegen die Kriegsverbrechen der Franzosen während der Napoleonischen Unterdrückung ausspricht.
In der Schrift „Beherzigungen vor dem Wiener Kongress“ findet sich zudem ein Passus wieder, indem Arndt sich gegen Angriffsarmeen ausspricht und somit auch gegen Angriffskriege.
Diese Ablehnung von Angriffskriegen ist heute in dem Verbotsparagraphen für Angrifsskriege und der Festlegung der Bundeswehr als Verteidigungsarmee im Grundgesetz verankert.
Ernst Moritz Arndt kommt damit im Positiven weitaus mehr Bedeutung zu, als oft angenommen.
Noch etwas zur zitierten Textstelle:
Arndt spricht sich insbesondere in „Beherzigungen vor dem Wiener Kongress“ gegen Söldnerheere aus. Daher auch der Bezug zu Halliburton in der Gegenwart.
(D.h. dass vieles von Arndts positiven Ideen leider bis zum heutigen Tage noch nicht in die Realität umgesetzt worden ist)
Viel besser ! Eine solche Darstellung macht euer Anliegen besser deutlich als diese tabellarische Aufstellung von zum Teil fragwürdigen „Leistungen“.
Arndt war nicht nur schlecht und dies wird hier auch deutlich. Besonders gut finde ich die Stellungnahme auf den Seiten des Arndt Gymnasiums in Bergen auf Rügen.
Ich würde mir wünschen das auch der Universität ein solch offen kritischer aber positiver Text zu Ernst Moritz Arndt gelungen wäre.
Ich begrüße es auch, dass nicht mehr nur versucht wird, Antisemitismus und Antijudaismus zu relativieren, sondern dem geneigten Leser eine andere Perspektive auf die Debatte geboten wird. Langsam gibt es wirklich 2 Ansichten mit Argumenten und man kann aufgrund eigener Überzeugungen entscheiden.
Uni ohne Arndt – ein Kommentar zum Greifswalder Namensstreit
Es gibt eine gute Nachricht für Greifswald und eine schlechte. Die gute Nachricht lautet: Die Welt interessiert sich für Greifswald. In den letzten Wochen haben Zeitungen aus Frankreich, Spanien, Israel und gar aus China über die kleine 60.000- Einwohner zählende Studentenstadt im Nordosten Deutschlands berichtet. DIE ZEIT und der UniSpiegel berichten mittlerweile regelmäßig über Greifswald, in der Süddeutschen schaffte es die Stadt sogar auf die Titelseite.
Fürwahr, es gibt gute Gründe über die Stadt zu berichten. Greifswald ist eine wunderschöne, hanseatisch geprägte Kleinstadt, die es in puncto Lebensqualität mit den klassischen Studentenstädten Tübingen, Heidelberg oder Göttingen aufnehmen kann. Sie hat eine malerische Altstadt mit einem sorgfältig restaurierten Markplatz, einen romantischen Museumshafen und eine vielfältige Kulturszene. Obendrein erfreut sich die Universität in Greifswald eines stetig wachsenden guten Rufes. In verschiedene Rankings, zum Beispiel in den Stern-Rankings und den CHE-Hochschulrankings, belegen etwa die Wirtschaftswissenschaften Jahr für Jahr Spitzenplätze. Auch was die medizinische Abteilung anbelangt, ist Greifswald gefragt. Im Jahre 2007 war bei angehenden Medizinern nur Berlin der häufiger genannte Studienortwunsch bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS). Kurz gesagt: Greifswald ist eine lebenswerte, dynamische und junge Stadt.
Schade nur, dass die Zeitungen dieser Welt überhaupt nicht über diese positiven Dinge berichten. Anlass für das sprunghaft gestiegene Interesse an Greifswald ist vielmehr ein Namensstreit, der nur auf den ersten Blick einer Provinzposse gleicht. Das ist die schlechte Nachricht.
Es geht um Ernst-Moritz Arndt, den Namenspatron der Universität. Der 1769 auf Rügen geborene Schriftsteller ist eine zwiespältige Figur des 18. und 19. Jahrhunderts. Einerseits setzte er sich für die Abschaffung der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen ein, andrerseits überhöhte er metaphysisch den zur Zeit der Befreiungskriege in der deutschen Bevölkerung weit verbreiteten Hass auf alles Französische: „Ich will den Haß gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für immer. (…) Dieser Haß glühe als die Religion des deutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in allen Herzen und erhalte uns immer in unsrer Treue, Redlichkeit und Tapferkeit.“ Im Weiteren war Ernst Moritz Arndt ein völkisch geprägter Antisemit, der über die Reinheit der germanischen Rasse schwadronierte und zum Beispiel schrieb, dass „die Einfuhr der Juden aus der Fremde in Deutschland“ verboten und verhindert werden solle, da die „Juden als Juden (…) nicht in diese Welt und in diese Staaten“ hinpassten. Sie seien „ein durchaus fremdes Volk“ und er wünsche „den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten.“ Arndt weiter: „Ein gütiger und gerechter Herrscher fürchtet das Fremde und Entartete, welches durch unaufhörlichen Zufluß und Beimischung die reinen und herrlichen Keime seines edlen Volkes vergiften und verderben kann.“ So habe das „unwiderrufliche Gesetz“ zu gelten, „daß unter keinem Vorwande und mit keiner Ausnahme fremde Juden je in Deutschland aufgenommen werden dürfen, und wenn sie beweisen können, daß sie Millionenschätze bringen.“
Darüber hinaus hat kein geringerer als Hermann Göring, Gründer der Gestapo und für die Einrichtung der ersten Konzentrationslager verantwortlich, im Jahre 1933 der Universität ihren Namen verliehen. Zufall?
Es verwundert nach alldem nicht, dass Studenten eine Kampagne starteten, die Greifswalder Universität umzubenennen. Der Initiator dieser Kampagne, der aus Itzehoe stammende Politikstudent Sebastian Jabbusch, wird bereits – im Positiven wie im Negativen – mit Rudi Dutschke verglichen. Dies zeigt, welche Emotionen diese Debatte regional und überregional auslöst. Der Greifswalder CDU– Kommunalpolitiker Axel Hochschild behauptet, es gebe keine „wirklichen Gründe“ die Universität umzubenennen, die Studenten sollten „lieber an ihr Studium denken.“ Diverse Neonazi-Vereinigungen veröffentlichen auf ihren Homepages die Adresse von Sebastian Jabbusch und rufen zum Kampf für Ernst Moritz Arndt auf.
Abgesehen von diesen Auswüchsen zeigt der Namensstreit aber vor allen Dingen eines: Deutschland ist in den Köpfen der Menschen noch längst nicht zusammengewachsen. Viele Leserbriefschreiber und Kommentatoren in der Ostseezeitung legen bei ihrer Argumentation viel Wert darauf, ob die sich äußernde Person aus dem Osten oder dem Westen Deutschlands stammt. Der gebürtige Solinger Prof. Thomas Stamm-Kuhlmann sah sich jüngst sogar gezwungen, einen Gastbeitrag für die Ostseezeitung zu schreiben um zu begründen, warum sich auch „West-Professoren“ an der Debatte beteiligten dürften.
Der Greifswalder Namensstreit wirft damit ein Licht auf noch nicht verheilte Wunden einiger Ostdeutscher. Viele – vor allen Dingen ältere – Greifswalder haben das Gefühl, dass die Westdeutschen ihnen jetzt auch noch „ihren“ Ernst Moritz Arndt wegnehmen wollen. Die Ostseezeitung – offenbar das Zentralorgan der „Zukurzgekommenen“ – drückt regelmäßig auf die Tränendrüse und berichtete etwa darüber wie ein Bürger der Stadt zum Gedenken an Ernst Moritz Arndt einen Blätterkranz gebastelt habe und dieser Bürger inständig hoffe, dass die Universität ihren Namen behalte. „So viele bedeutende Leute gab es in Pommern doch nicht.“
Oberflächlich betrachtet sind dies nur die letzten Verwerfungen des schweren Prozesses der Wiedervereinigung. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Streit nicht vielmehr einen noch immer bestehenden grundsätzlichen Unterschied zwischen dem gesellschaftlichen Klima in Ost- und Westdeutschland aufzeigt. Wie lässt sich etwa diese seltsame Verbrüderung von ehemaligen Kommunisten und rechtskonservativen Gruppierungen wie dem RCDS und der deutsch-nationalen Burschenschaft Markomannia erklären? Dr. Hartmut Bräsel, ein in Greifswald geborener Diplomat der DDR, unterstützt zum Beispiel in einem offenem Schreiben die von dem RCDS gegründete Pro-Arndt-AG und wünscht ihnen „viel Erfolg und weitere gute Argumente für eine gute Sache.“
Grund für diese Verbrüderung ist, meine ich, die fundamental andersartige Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus in der DDR und der Bundesrepublik. In der ideologisch durchtränkten Geschichtsschreibung der DDR wurde der Nationalsozialismus lediglich als Teil der gesamt-europäischen Bewegung des Faschismus erfasst. Der Faschismus wiederum wurde häufig nur als dialektischer Höhepunkt eines kapitalistischen Systems verstanden, durch den sich der Kapitalismus letzthin selbst zerstört. In der Bundesrepublik hingegen wurden in einem viel stärkeren Maße die Besonderheiten des deutschen Nationalsozialismus beachtet. Es bestand unter den in der Bundesrepublik maßgeblichen Publizisten, wie Sebastian Haffner, Joachim Fest und Fritz Stern, Einigkeit darin, dass vor allen Dingen die systematische, industrielle Vernichtung der europäischen Juden, der Holocaust, den Nationalsozialismus von anderen faschistischen Bewegungen unterscheidet. Der Nationalsozialismus wurde als ein in der Geschichte der Menschheit einmaliger Zivilisationsbruch aufgefasst, nicht aber als eine dialektisch notwendige Folge des Kapitalismus. Diese verschiedenartigen Erinnerungskulturen von Ost- und Westdeutschland führen dazu, dass man noch immer mit einer unterschiedlichen Sensibilität auf Antisemitismus reagiert, zumal es auch auf Seiten der Linken schon immer eine unselige Tradition des Antisemitismus gab.
Doch nun zurück zum Namensstreit: Nach einer letzthin ergebnislosen Urabstimmung der Studenten entscheidet im März dieses Jahres der Senat der Universität Greifswald über die Zukunft des Namenspatrons. Es bleibt zu hoffen, dass der Senat die einzig richtige Entscheidung fällt. Ernst Moritz Arndt kann und darf nicht Namenspatron der Universität Greifswald bleiben!
[Anm. der Redaktion: der Senat entscheidet im März, aber welches die richtige Entscheidung ist, sollten wir doch lieber ihm überlassen.]
„Wie lässt sich etwa diese seltsame Verbrüderung von ehemaligen Kommunisten und rechtskonservativen Gruppierungen wie dem RCDS und der deutsch-nationalen Burschenschaft Markomannia erklären? Dr. Hartmut Bräsel, ein in Greifswald geborener Diplomat der DDR, unterstützt zum Beispiel in einem offenem Schreiben die von dem RCDS gegründete Pro-Arndt-AG und wünscht ihnen „viel Erfolg und weitere gute Argumente für eine gute Sache.““
Warum ehemalige Kommunisten? Es gibt durchaus einige Menschen, deren Herz politisch links schlägt und die sich trotzdem für Arndt aussprechen – und dabei handelt es sich nicht nur um Rentner.
Merkwürdig ist diese „Allianz“ zwischen Linken, Konservativen und Nationalkonservativen nur dann, wenn man dem Parteiendenken verankert ist. D.h., dass der eine mit dem anderen nur deshalb nicht zusammen arbeitet bzw. ihn unterstützt, weil er eine andere Vorstellung einer wegweisenden Gesellschaftsordnung hat.
Aber geht es in dieser Diskussion darum, welche Gesellschaftsordnung die effektivere, gerechtere und freiere ist?
Wohl kaum.
Und gerade aus diesem Grund sind solche Schulterschlüsse nicht wirklich überraschend.
„Grund für diese Verbrüderung ist, meine ich, die fundamental andersartige Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus in der DDR und der Bundesrepublik.“
Ich glaube, dass es nicht nur die fundamental andersartige Aufarbeitung der Zeit des NS-Regimes ist, sondern das grundsätzlich andere Geschichtsbewusstsein. Es ist nicht so, dass man in der DDR verschwiegen hätte, dass Arndt auch Schattenseiten hatte. So findet man in verschiedenen Lexika der DDR den Hinweis, dass Arndt den „Hang zum Chauvinismus“ hatte, er andererseits in der Paulskirche eine „Vermittlerrolle“ zwischen dem gemäßigt-Linken (Demokraten) und dem Liberalen/ und monarchistischen Lager inne hatte.
„In der ideologisch durchtränkten Geschichtsschreibung der DDR wurde der Nationalsozialismus lediglich als Teil der gesamt-europäischen Bewegung des Faschismus erfasst. Der Faschismus wiederum wurde häufig nur als dialektischer Höhepunkt eines kapitalistischen Systems verstanden, durch den sich der Kapitalismus letzthin selbst zerstört. In der Bundesrepublik hingegen wurden in einem viel stärkeren Maße die Besonderheiten des deutschen Nationalsozialismus beachtet.“
– Jaja… die Geschichtsschreibung der Bundesrepublik ist die einzig wahre Geschichtsschreibung und die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ansichten der DDR sind vollkommen irrellevant, weil sie ja „ideologisch durchtränkt“ sein. Das ist meiner Meinung nach viel zu einfach gedacht.
Unsere Gesellschaft basiert auch auf ganz bestimmten Wertvorstellungen, also einer ganz bestimmten Ideologie.
Genau genommen ist auch die Geschichtsschreibung der Bundesrepublik „ideologisch durchtränkt“. Geschichtsschreibung, Geschichtsbewusstsein usw. – das alles ist immer an Ideologien gekoppelt. Ob das eine mehr ideologisch durchtränkt ist als das andere – wer kann das schon mit Bestimmtheit sagen?
„Doch nun zurück zum Namensstreit: Nach einer letzthin ergebnislosen Urabstimmung der Studenten entscheidet im März dieses Jahres der Senat der Universität Greifswald über die Zukunft des Namenspatrons.“
Ergebnislos?
Es haben sich rund 50% der Studierenden für die Beibehaltung des Namens „Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald“ ausgesprochen. Rund 43% dagegen. Zirka 6% enthielten sich der Stimme. Es ist schon eine deutliche Differenz zwischen Ja-und Nein-Stimmen erkennbar. Insofern ist ergebnislos wohl das falsche Wort. Und angesichts der Tatsache, dass sich noch zur Vollversammlung bei einer halb so großen Wahlbeteiligung 95% der Studierenden für eine Namensänderung ausgesprochen haben, ist es wohl eher ein ganz klares Zeichen dafür, dass sich der Wind gedreht hat und es ist vor allem eine katastrophale Niederlage der Initiative Uni-ohne-Arndt gewesen.
Um Missverständnissen vorzubeugen:
Der Begriff „Schulterschluss“ war von mir äußerst unpassend gewählt. Gemeint war bzw. ist innerhalb der Argumentation „Meinungsüberschneidung“.
Nun, lieber Fiete, die Diskussion offenbart tatsächlich ost/west-spezifische Sichtweisen. Aber diese beziehen sich nicht auf die Beurteilung der NS-Verbrechen, sondern auf die Frage, wie das deutsche Volk nach den 12 Jahren weiterleben kann. Ob es überhaupt weiterleben darf. Große Teile der 68er-Funktionselite haben diese Frage im Grunde mit einem Nein beantwortet, auch wenn das natürlich niemand so direkt sagt. Bei Joschka Fischer heißt es dann, die Deutschen müßten „von außen verdünnt“ werden, also qua Einwanderung von ihrem Charakter therapiert werden (was letztlich einer Auflösung gleichkommt). Dieses Denkmodell ist natürlich zutiefst rassistisch und wird nicht nur von den Pommern, sondern von der Mehrheit der deutschen Normalbevölkerung abgelehnt.
Wenn also von „Westprofessoren“ die Rede ist, ist damit ein bestimmter Typus des linken 80er-Jahre-West-Lehrers gemeint. Der deutsche Musterschüler, der immer an der Spitze stehen will (auch im Negativen) und seine Sonderrolle mit staatsanwaltschaftlicher Attitüde und instrumentalisierter Moral in die Welt posaunt. Deswegen hat auch nicht der pommersche Bäcker ein Problem mit der Wiedervereinigung, sondern der K-Gruppen-sozialisierte Westlehrer, der die Wiedervereinigung zuerst abgelehnt hat, sie dann notgedrungen akzeptieren mußte und heute versucht, seine bereits im Westen gescheiterten Gesellschaftsexperimente im Osten zu wiederholen. Verständlich, daß sich die pommersche Urbevölkerung dagegen wehrt und damit sind wir bei Arndt.
Die ganze Arndt-Debatte war von Anfang an ein symbolpolitischer Stellvertreterkrieg, der wenig mit der Figur Arndt, aber viel mit dem Thema „deutsche Identität“ zu tun hat. Daher auch der hohe Anteil an Schlagwörtern und wenig Kompetenz auf beiden Seiten, was die geschichtlichen Abläufe betrifft. Das ganze Jabbusch-Bashing war ein eher langweiliger Seitenaspekt einer ansonsten interessanten geschichtspolitischen Grundsatzdebatte und wenn ich auf dem Webmoritz nicht ständig gelöscht worden wäre, hätten Motive und Hintergründe der beiden Parteien noch viel besser ausgeleuchtet und Marco W. und ich noch viele heitere Redeschlachten ausfechten können lol Aber Jabbusch-Bashing hat ja offensichtlich genügt.
Übrigens möchte ich dem Rudi Dutschke der Neuzeit (^^) insofern Recht geben, daß die Debatte tatsächlich nicht enden wird. Und zwar erst recht nicht, wenn der Name abgelegt wird! Niemand soll sich der Illusion hingeben, daß eine taktische Ablegung des Namens Ruhe bringt. Dann fängt die Debatte erst richtig an und ich werde natürlich wieder mit dabei sein, denn das bin ich meinem Gewissen und meiner Heimat schuldig.
In diesem Sinne: Lang lebe Ernst Moritz Arndt! 🙂
EMAU-Absolvent
Interessanter Kommentar! Könntet Marco und Du Euren Kommentar auch auf die Uni-ohne-Arndt-Homepage stellen? Dann könnte man die Diskussion dort fortführen. Ich glaube, dass die Uni-ohne-Arndt-Homepage etwas häufiger besucht wird.
Nun sind die Würfel also zugunsten von Patron Arndt gefallen, wofür es gute Argumente geben mag. Als guter Demokrat gratuliere ich der Arndt AG, der es gelungen ist, die Verdienste Arndts in den Vordergrund maßgeblich in den Vordergrund zu rücken.
Anbei meine letzte Stellungnahme zu der Debatte:
Die Uni sollte jetzt die Ergebnisse der ganzen Diskussion nutzen und sich zu Arndt differenziert positionieren. Der Text auf der Uni-Homepage Marke Eiertanz zwischen Zustimmung und Distanzierung genügt dem nicht und wirkt, als ob man nicht so richtig weiß, was man mit Arndt eigentlich anfangen soll: http://www.uni-greifswald.de/informieren/ernst-moritz-arndt.html So ein Text hat aber Imagewirkung und sollte stattdessen das zeigen, was die fruchtbare Diskussion gebracht hat:
In die Arndtsche Tradition des Einstehens für Meinungs- und Pressefreiheit bis hin zum Berufsverbot, für eine Verfassung mit Bürgerrechten, für deutsche Einheit, für Militärethik und gegen Leibeigenschaft kann man sich stellen. In die Arndtsche Tradition von arrogantem Nationalismus bis hin zur Fremden- und Judenfeindlichkeit dagegen nicht.
Was spricht gegen eine solch klare offizielle Positionierung der Uni zu den Traditionen Arndts? Eben. Nichts.
Im Rückblick von bald 3 Jahren könnte die Entscheidung der Universität, den Namen Ernst Moritz Arndts beizubehalten, eine kluge gewesen sein, auch wenn die Universität (bisher) leider viele Chancen liegen lässt.
Nach erneuter, vertiefter Lektüre des oben genannten Werkes ,,Pro populo Germanico“ muss ich zugeben, dass das Werk deutlich mehr klügere, differenziertere und fortschrittlichere Elemente enthält, als ich damals bemerkt habe.
Ich bleibe aber dabei, dass Arndt zwei Gesichter trägt, die beispielhaft für die neuere deutsche Geschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert stehen. Einerseits das Eintreten für Einigkeit Deutschlands, Recht, Gerechtigkeit und Freiheit. Andererseits deutsches Überlegenheitsgefühl, rassistische Tendenzen, Abgrenzung gegenüber anderen Völkern. Die Tragik deutscher Geschichte liegt nun darin, dass die Generationen zwischen 1870 und 1945 aus Arndts Werken ausgerechnet und überwiegend das ,,andererseits“ weiterverfolgten. Sie leiteten aus Arndts Werken deutschen Größenwahn, Judenfeindlichkeit und Hass auf Fremdes ab und ignorierten Arndts Rufe nach gesundem Selbstvertrauen, Freiheit, Recht und Gerechtigkeit. Dadurch wurden Deutschland und Europa zwischen 1914-1918 und 1933-1945 fast vernichtet. Aber genau das haben eben vorwiegend andere Generationen zu verantworten als Ernst Moritz Arndt. Daher irrte auch ich oben, indem ich die Ideen Arndts zu sehr mit seiner Rezeption zwischen 1870 und 1945 gleichsetzte.
Was sind nun die Chancen der heutigen Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald? Ganz einfach: Sie muss endlich aufzeigen, wie eng Fortschritt und Verderben in der deutschen Geschichte nebeneinander lagen (und vielleicht noch immer liegen). Diese Widersprüche zeigen sich besonders nah beieinander im Leben und Werk Arndts. Ich bleibe daher dabei: Gerade weil die Universität Greifswald Ernst-Moritz-Arndt weiter im Namen führt, hat sie eine besondere Verpflichtung, sich in Lehre und Forschung vertiefter mit Arndts Werken auseinanderzusetzen: Um ganz klar zu zeigen, welche Ideen Arndts schon damals in eine bessere Zukunt wiesen – und welche hingegen zu Tod, Krieg und Verderben führ(t)en.
Im Gegensatz zur Seite der Arndt AG, die gute Ansätze für eine differenzierte Betrachtung von Leben und Werk Ernst Moritz Arndts aufzeigt, hat die Ernst-Moritz-Arndt-Universität seit Jahren keine vertiefte Forschung mehr zu ihrem Namenspatron unternommen. Schade.